Mein Patenkind in Nepal
Wenn jemand so viele Jahrzehnte auf dem Buckel hat wie ich, dann sieht er viele Dinge aus der Vergangenheit und Erinnerung heraus wohl viel verklärter und romantischer als ein heutiger Jugendlicher dies jemals tun würde (mit dem Smartphone und allen Informationen dieser Erde in der Hand). Und so wurde der Romantiker in mir schon bei der Anmeldung der Patenschaft auf den Boden der Tatsachen zurück geholt.
Patenkind - damit verband ich natürlich die Dinge, die ich im Zusammenhang mit meiner christlichen Erziehung und Tradition kannte: bei der Taufe erhält das Kind zwei Begleiter durch sein weiteres christliches Leben, meistens bis zum 18 Lebensjahr, manchmal nur bis zur 1. hl. Kommunion, selten ein Leben lang. Auch ich war schließlich Patenkind und erinnere mich gerne an die Geschenke der Paten zur Kommunion, zum Geburtstag, zu Ostern und Weihnachten. Und ich weiß auch noch ganz genau wer sich mir gegenüber immer großzügig gezeigt hat und wer einfach nur ein Geizkragen war.
Aus dieser Stimmung wurde ich sofort herausgeholt, als ich den Musterbrief las, den Plan Inter-national Deutschland e.V. für den ersten Kontakt beigelegt hatte für diejenigen, die des Englischen nicht mächtig sind: Hello, I´m happy to be your sponsor...
Natürlich. Was weiß ein buddhistisch oder hinduistisch erzogenes Kind über Patenschaft? Nichts.
Das internationale Wort kann hier wohl wirklich nur Sponsor sein, auch wenn sich bei mir dabei der abwertende Gedanke an Trikotwerbung einstellt. Also nichts von wegen "guter Patenonkel" aus Deutschland. Ich bin jetzt "Sponsor".
Den ersten "Dämpfer" gab es aber eigentlich schon wesentlich früher. Ursache sind hier natürlich die aktuellen Datenschutz- und Kinderschutzgesetze. Wenn man auf die üblen Vorgänge auf der Welt blickt sicherlich berechtigt, aber es wird der Privatbürger bei manchen Dingen leider genauso behandelt wie der Großkonzern. Völlig überzogen. Im Verein hatte ich mich mit der neuen Datenschutz-Grundverordnung auf EU-Ebene zu befassen und weiß, wie so etwas aussieht und ausarten kann.
Es gibt also keinen "Katalog der Patenkinder" den man sich ansehen kann und dann seine persönliche Auswahl trifft. Verboten. Jedem klar warum. Stattdessen wird ein einziges Bild mit ein paar zusätzlichen Informationen angeboten. Der erste Schritt ist also mehr oder weniger ein Blindflug: "Friss das, was du hast, oder lass es".
Danach geht alles weitere mehr oder weniger vollautomatisch und zwei Tage später hast du dann deine Patenmappe auf dem Tisch.
Wie sind nun meine neuen Erkenntnisse:
Ich erfahre den Namen meines Patenkindes und den ihrer Eltern und der drei Schwestern und dass sie Kleinbauern sind.
Ich erfahre auch in welchem Distrikt von Nepal sie leben. Aus Schutzgründen ist der Kreis, den man um dieses Gebiet ziehen kann allerdings mehrere hundert Kilometer groß.
Ich erfahre das Geburtsdatum (7 Jahre alt) und dass sie in eine Grundschule geht und ihre Lieblingsfächer Rechnen und Naturwissenschaft sind. Der Schulweg beträgt 1-2 Stunden. Die Familie sind Buddhisten und man spricht dort Tamang.
Diesmal sind es dann zwei Fotos. Das erste schon bekannte zeigt das Kind in seinem besten Kleid, auf dem zweiten ist noch die Mutter dabei, ebenfalls im Feiertagsstaat. In den Gesichtern erkennt man auf den zweiten Blick einen Hauch von Angst und Panik, wie er bei solchen erzwungenen, offiziellen Bildern häufig entsteht.
Dann folgen noch einige Daten, anhand derer man sich wohl ein knappes Bild von der Situation vor Ort in Nepal machen kann: Die Familie wohnt in einem Haus aus Stein mit Metalldach und einem Fußboden aus Erde, gekocht wird mit Holz, es gibt eine Toilette mit Wasserspülung und das Trinkwasser kommt aus der Leitung auf dem Hof. Es folgen noch einige Informationen allgemeiner Art über Nepal. Das war´s.
Und wie geht´s nun weiter?
Wenn man als Pate jetzt nicht weiter reagiert, dann läuft der gut geölte Mechanismus von Plan International Deutschland e.V. an, die Gelder für die Patenschaft werden abgebucht und auf der Internetplattform werden regelmäßig Informationen über die Projekte vor Ort eingestellt. Dies geht dann maximal so lange weiter bis das Patenkind 18 Jahre alt ist. Das ist der Trivialfall.
Ich möchte das Ganze aber deutlich aktiver gestalten.
Also erst mal eine Begrüßungs-E-Mail nach Nepal gesendet. Geht über Plan, denn die E-Mail-Adresse in Nepal darf ich ja nicht haben (wahrscheinlich hat auch nur das Plan-Team vor Ort eine). Briefversand dauert Wochen, weil die Briefe erst mal gesammelt werden. Und dann ein kleines Geschenk hinterher (ein Mäppchen mit Stiften, Kugelschreibern, Radiergummi und Spitzer für die Schule).
Vielleicht gibt es ja nach einiger Zeit eine Antwort (hoffentlich nicht erzwungen) und eine regelmäßige oder unregelmäßige Kommunikation kommt über die Jahre zustande. Das wäre die Standardversion.
Und meine Wunschvorstellungen?
Mit der Zeit entsteht eine Art Vertrauensverhältnis. Mein Patenkind lernt Englisch in der Schule und
und ist neugierig und clever. Sie kann dann ohne Zwischenschaltung von Übersetzern kommunizieren. Die Eltern (beide jetzt Mitte dreißig) stehen dem aufgeschlossen gegenüber, können und wollen einen direkten Kontakt über E-Mail oder Skype oder wie auch immer. Das wäre der Idealfall.
Wäre doch super vom Patenkind eine E-Mail zu erhalten in der Art "Mein Vater fragt ober er das Brett im Stall nageln oder doch besser verschrauben soll". Oder?
Wir werden sehen.
Ich werde jedenfalls die Entwicklung der Patenschaft unter der Rubrik "Aktuelles aus Nepal" fortlaufend berichten. Natürlich alles im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben.
Und natürlich über Dinge, die sich außerdem parallel dazu noch entwickeln.